Z A H N A E R Z T E K A M M E R . A T
ÖZZ Ausgabe 3/2025
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Diskussion
Dens invaginatus stellt eine Herausforderung bei Diagnostik,
Planung und Behandlung für den Zahnarzt dar. Diese Form- und
Strukturanomalien entstehen während der Zahnentwicklung,
also noch vor demZahndurchbruch. In der Invagination befindet
sich zunächstWeichgewebe, welches nach demZahndurchbruch
nekrotisch und bakteriell besiedelt wird. Diese Bakterien führen
in dem blind endenden Hohlraum (Typ I und Typ II) zu Karies und
allfälligen entzündlichen Folgeerscheinungen der eigentlichen
Zahnpulpa oder führen im Falle einer Verbindung zum Parodont
(Typ III) zu einer Entzündung des lateralen oder apikalen Paro-
donts, einer sog. „Peri-Invagination-Parodontitis“. Allesamt keine
guten Voraussetzungen bei derart komplexen intraradikulären
Hohlräumen. Daher ist es wichtig, das diagnostische Auge für
diese Strukturanomalie zu schärfen, um möglichst frühzeitig
therapeutische Schritte einzuleiten. Neben der radiologischen
Abklärung ist die Erhebung der Vitalität bzw. Sensibilität der
eigentlichenWurzelpulpamitentscheidend für dasweitere thera-
peutische Vorgehen, ob lediglich die Invagination oder zusätzlich
auch der Wurzelkanal behandelt werden muss.
Bei der erst 10-jährigen PatientinAA führte die Infektion über die Inva-
gination vomTyp II zu einemsubperiostalenAbszess. Möglicherweise
hat dasweit offene Foramen apicale bei unabgeschlossenemWurzel-
wachstum diese Entwicklung begünstigt. Durch die hohe Regene-
rationsfähigkeit des pulpalen Gewebes ist es zum Längenzuwachs
der Zahnwurzel gekommen. Die nach 33 Jahren erfolgte Nachunter-
suchung zeigt apikal unauffällige und mit Knochen durchwachsene
Strukturen. Wäre es bei dieser Patientin zu einem Frontzahnverlust
imKindesalter gekommen, hätte dies einerseits negative Auswirkun-
gen auf die Entwicklung des Alveolarknochens im Frontzahnbereich
gehabt, andererseits hätten sich beträchtliche Schwierigkeiten beim
funktional-ästhetischen Lückenschluss ergeben.
Bei der 21-jährigen Patientin RV erwies sich der betroffene Zahn
bei der Sensibilitätsprüfung mit Kohlensäureschnee negativ und
zeigte röntgenologisch eine periapikale Läsion. Die Invagination
und der eigentliche Wurzelkanal lagen sehr dicht beieinander,
sodass bei der Präparation des koronalen Zugangs beide Kanal-
systeme eröffnet wurden. Somit entstand ein großes Lumen,
welches es dann auch zu füllen galt. In diesemFall wurden Gutta-
perchastifte verwendet. Heutzutagewürdeman einenMTA-Plug
setzen und mit thermoplastischer Guttapercha vertikal konden-
sieren. Auch in diesem Fall kann man eine komplikationslose
Nachbeobachtungszeit von über 30 Jahren überblicken.
Sind die Patienten älter und es wurde noch keine adäquate Dia-
gnose gestellt, so haben diese Patienten oftmals schon frustra-
ne Behandlungsversuche hinter sich. Für die Behandlung ist es
entscheidend zu wissen, welche Anteile des Hohlraumsystems
(Invagination oder eigentlicher Wurzelkanal oder beide) infiziert
sind. Danach richtet sich auch die Therapie im Einzelfall aus. Es
ergibt keinen Sinn, gesunde vitale Kanäle einer Wurzelkanalbe-
handlung zuzuführen. BeimPatientenMWfand sich noch devitales
Gewebe zwischen Invagination und Wurzelwand. Dies wäre nicht
über einen orthograden Zugang über die Invagination zugänglich
gewesen. Somit war in diesem Falle ein retrograd-chirurgisches
Vorgehen zusätzlich erforderlich. Für den retrograden Verschluss
sind hydraulische Silikatzemente (medizinischer Portlandzement)
nunmehrMittel derWahl. Sie binden im feuchtenMilieu ab, wirken
desinfizierend durch Freigabe vonHydroxylionen und schaffen eine
biokompatibleOberfläche, die eine Knochenanlagerung begünstigt.
Auch hier vollkommen unauffällige Knochenstrukturenmit regulär
erscheinendemParodontalspalt nach 17 Jahren Beobachtungszeit.
Die ästhetische Rekonstruktion des Zapfenzahnes erfolgte in die-
sem Fall additiv mit Composite, womit eine Strukturschwächung
durch Beschleifen der Zahnkrone vermieden werden konnte.
Fazit für die Praxis
Die Diagnose eines Dens invaginatus (Dens in dente) erfolgt
durch klinische Inspektion (Zapfenzahn mit Eintrittsöffnung,
Asymmetrien im rechts-links-Vergleich, etc.) und radiologische
Darstellung (typische tropfenförmige Einstülpung).
Bei entsprechender Diagnose kann rechtzeitig eine adäquate
Therapie eingeleitet werden und die Zutrittsöffnung zumoralen
Mikrobiom verschlossen werden, um eine Infektion der Zahn-
pulpa oder des Parodonts zu vermeiden.
Anhand von vierPatientenbeispielenmit unterschiedlichenVoraus-
setzungen konnte gezeigt werden, dass nach adäquater Behand-
lung Zähnemit der Diagnose Dens invaginatus eine gute Prognose
haben. Die Nachkontrollen erfolgten z.T. nach über 30 Jahren.
Die Vorgehensweise sollte stetsminimalinvasiv sein und aufVital-
erhaltung der Pulpa abzielen, um eine Wurzelkanalbehandlung
bei einemzu erwartenden komplexen Kanalsystemzu vermeiden.
Genauigkeit in derDiagnostik (Röntgenbilder intensiv studieren)
und sorgfältigesArbeiten (Kofferdam, Vergrößerungshilfen) sind
wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung.
Literatur beim Autor
Korrespondenz
DDr. Manfred Zeisler, Zahnarzt i.R., ehemalig Innrain 14, A-6020 Innsbruck
Mail:
dr.manfred.zeisler@web.deW I S S E N S C H A F T L I C H E F O R T B I L D U N G
Z u m H e r a u s n e h m e n u n d S a mm e l n
Danksagung
: Der Autor bedankt sich ganz herzlich bei Herrn Univ.Doz. DDr.
Ivano Moschèn für die kritische Durchsicht des Manuskriptes sowie für die
vielenwertvollen Ergänzungen. Ebenso bedankenmöchte ichmich bei Herrn
Dipl.-Ing. Reinhard Hörl für das Anfertigen der Skizzenzeichnungen.




