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Z A H N A E R Z T E K A M M E R . A T

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ÖZZ Ausgabe 2/2025

erhöht. Zahlreiche weitere systemische Erkrankungen können

das Risiko für eine Parodontitis-Entstehung und -Progression

erhöhen, zum Beispiel rheumatoide Arthritis, Osteoporose und

neurodegenerative Erkrankungen. Okklusale Über- und Fehl-

belastungen sowie inadäquate Stressverarbeitung sindweitere,

wenn auchweniger belegte Risikofaktoren der Parodontitis. Die

dysbiotische Mikrobiota (das heißt die Mikroorganismen, ihre

Bestandteile und Produkte) induziert eine Immunreaktion, an der

zahlreiche immuninflammatorische Zellen und Moleküle, aber

auch proteolytische (zum Beispiel Kollagenasen) und knochen-

resorptionsförderndeMoleküle (zumBeispiel „receptor activator

of NF-

B ligand“, RANKL) beteiligt sind. Die oben genannten

Kofaktoren modulieren diese Entzündungs- sowie Weich- und

Hartgewebeabbauprozesse, sodass es zu einer verstärkten pa-

rodontalen Entzündung und Destruktion kommen kann.

Periimplantitis

: Die dysbiotische Mikrobiota auf der Implan-

tatoberfläche kann ebenfalls immuninflammatorische sowie

matrix- und knochendestruktive Prozesse auslösen. Der Biofilm

auf Implantaten ist dem von Zähnen ähnlich, wenn auch nicht

mit ihm identisch. Ebenso wie bei der Parodontitis stellt Rau-

chen einen bedeutsamen Risikofaktor für eine Periimplantitis

dar. Mögliche Genpolymorphismen, die für ein erhöhtes Periim-

plantitis-Risiko verantwortlich sein sollen, wurden beschrieben.

Außer Zweifel steht, dass bestimmte Allgemeinerkrankungen

und Medikamente das Risiko für eine Periimplantitis steigern.

Zum Beispiel wurde ein erhöhtes Risiko für eine Periimplantitis

bei schlecht eingestellten Diabetespatient:innen beschrieben.

Auch schlechte Mundhygiene und Adhärenz des:der Patient:in

sowie inadäquate prothetische Versorgungen stellen Risikofak-

toren sowohl für die Parodontitis als auch die Periimplantitis dar.

Beim Implantat kommen anders als beimZahn noch Risikofakto-

ren hinzu, die imZusammenhang mit der Implantatplanung und

-insertion stehen, zumBeispiel fehlendes keratinisiertes Gewebe

um das Implantat, eine falsche Implantat-Angulation, ein chi-

rurgisches Trauma, zu dicht beziehungsweise zu viele gesetzte

Implantate oder aber eine falsche Positionierung des Implantats.

Des Weiteren ist die Fraktur des Implantats zu nennen. Neben

gemeinsamen Risikofaktoren gibt es also auch spezifische, das

heißt nur das Implantat betreffende Risikofaktoren.

Pathogenese

Auch pathogenetisch bestehen zahlreiche Unterschiede zwi-

schen einer Parodontitis und einer Periimplantitis. Im Gegen-

satz zur Parodontitis schreitet die Periimplantitis weniger linear

voran, sondern beschleunigt sich. Die periimplantäre Läsion ist

nicht so stark durch Kollagenfasern eingekapselt wie die Paro-

dontitis-Läsion, das heißt, die periimplantäre Entzündung reicht

näher an den Knochen heran. Zudem ist die periimplantäre Lä-

sion größer und ähnelt mehr einer „akuten“ Entzündung.

Die Unterschiede zwischen Parodontitis und Periimplantitis

bezüglich der Pathogenese stehen in engem Zusammenhang

mit Unterschieden in der Strukturbiologie. Das Parodont be-

steht aus der Gingivamit einer epithelialen und bindegewebigen

Komponente, dem Desmodont, dem Wurzelzement und dem

eigentlichen Alveolarknochen. Der Zahn ist bindegewebig am

Alveolarknochen aufgehängt. ImGegensatz dazu ist das Implan-

tat mit dem Knochen direkt verbunden (Osseointegration), das

heißt, es gibt keine Zementschicht und auch kein Desmodont.

Im Gegensatz zur gingivalen Situation am Zahn verlaufen die

suprakrestalen Kollagenfasern beim Implantat eher parallel zu

dessen Oberfläche. DesWeiteren ist die periimplantäreMukosa

weniger stark vaskularisiert als die Gingiva.

Therapie

Das Ziel der systematischen Behandlung von Parodontopathien

besteht darin, die parodontale Entzündung und Destruktion auf-

zuhalten, um dadurch Zahnverlust und negative Auswirkungen

auf den Gesamtorganismus nachhaltig zu vermeiden.

Parodontitis

Die Behandlung der Parodontitis erfolgt nach einemStufenplan.

Die ersteTherapiestufe umfasst Maßnahmen zuMotivation und

Verhaltensänderung des:der Patient:in sowie Maßnahmen zur

Beseitigung des supragingivalen Biofilms und Zahnsteins und

der Kontrolle von Risikofaktoren. Die Patient:innen werden zu

einer adäquatenMundhygienemotiviert. Raucher:innenwerden

ermutigt, das Rauchen zu minimieren oder sogar aufzugeben,

und Patient:innen mit einem Diabetes werden motiviert, eine

gute Stoffwechseleinstellung sicherzustellen, damit sie optimal

auf die Parodontitis-Therapie ansprechen.

Die zweite Therapiestufe ist durch die Beseitigung des subgin-

givalen Biofilms und Zahnsteins (subgingivale Instrumentie-

rung) gekennzeichnet. Dabei kommen Handinstrumente (z. B.

Küretten) odermaschinell betriebene Instrumente (z. B. Schall-/

Ultraschallgeräte) oder deren Kombination zur Anwendung. In

seltenen Fällen können adjuvant subgingival applizierte lokale

Antibiotika/Antiseptika oder systemisch wirksame Antibiotika

zum Einsatz kommen. Die subgingivale Instrumentierung kann

imRahmen eines odermehrerer Zahnarztbesuche durchgeführt

werden. Nach der Heilung der parodontalen Gewebe wird das

Therapieergebnis reevaluiert. UnterUmständen ist dasTherapie-

resultat noch nicht ausreichend, sodass die dritte Therapiestufe

in Erwägung gezogen werden muss.

War die Therapie der zweiten Stufe jedoch erfolgreich, kann

der:die Patient:in direkt in die unterstützende Parodontalthe-

rapie (UPT), das heißt die vierte Therapiestufe, überführt wer-

W I S S E N S C H A F T L I C H E F O R T B I L D U N G

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