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ÖZZ Ausgabe 2/2025
D A M A L S & H E U T E
... die erste Zahnärztin Wiens, Martha Wolf, erst 22 Jahre
nach Emilie Hruschka, 1912, ein „zahntechnisches Atelier“
im 9. Bezirk in der Servitengasse 10 eröffnete?
… die erste in Österreich ausgebildete Zahnärztin, Emilie
Edel, 1895 ihre Berufserlaubnis für die zahnärztlicheTätig-
keit in Bosnien erhielt? Edel hat dafür eine fachtechnische
Ausbildung imWiener zahnärztlichen Universitätsinstitut
absolviert.
Wussten Sie, dass ...
Quellen
1. Bremen, S. von: Eine spannende Frauenbiografie. ZWP.Online (2015).
2. David, M.; Özkan, M.: Ärztinnen der ersten Generation. BerlinerÄrzt:in-
nen (2024).
3. Erste Zahnärztin in Wien. Montagszeitung. Nr. 1720 (11.11.1912).
4. Riehle, K.: Die erste Zahnärztin (2024).
5. Wiener Medizinische Wochenschrift. Nr. 41. Hauptteil (1895).
Das Fräulein Hruschka
Entgegen Bischoffs abwertendem Urteil vermochten sowohl die
Sylterin Henriette Hirschfeld-Tiburtius als auch die Tirolerin Emilie
Hruschka trotz ihrer schmächtigen Statur problemlos Zähne zu zie-
hen. Hruschka, die bereits mit 13 Jahren „sehr groß [war] und auch
älter aus[sah]“, extrahierte in diesem Alter erstmals einem Bauern
einen Zahn. Zu dieser Zeit arbeitete sie als ungelernteAssistentin in
der Ordination ihres Vaters, des Tiroler Zahnarztes Josef Hruschka,
wo sie die Fertigkeit der Extraktion an einem Totenkopf erlernt
hatte. Der Vater bereitete sie auch auf ihr Studium an der L’École
et l’Hôpital dentaires libres in Paris vor, wo Frauen anders als in
Österreich bereits in den 1880er-Jahren Zahnmedizin studieren
konnten. „In der ersten Woche musste ich aus Elfenbein Zähne
feilen; ich konnte das besser als die im zweiten Kurs und lehrte die
Schüler alles, und sie bestauntenmich nur“, schreibt Emilie in ihren
Aufzeichnungen über ihre Anfangszeit an der École. Dank ihrer Vor-
kenntnisse konnte Emilie sogar von diversen Übungen fernbleiben.
„Kurse direkt am Patienten waren auch Vorlesungen. Dazu wollte
ich unbedingt die damals neue Technik der Plomben, Kronen und
Brücken in Gold gründlich erlernen“, so Emilie. Das Paris des späten
19. Jahrhunderts war ein Eldorado für Zahnärztinnen. Mit ihnen,
heißt es im „Neuigkeits-Welt-Blatt“ imApril 1891, wurde „die Zahn-
heilkunde, die vormals als das schrecklichste der Übel betrachtet
wurde, mit einem Schimmer von Liebenswürdigkeit umgeben“.
Emilie aber wollte in Österreich als Zahnärztin tätig sein. Sie ab-
solvierte die École in Paris sowie das Polytechnikum in Zürich
undkonntemit 18 Jahren auf zwei fachspezifische Diplome verwei-
sen – dennoch war ihr der Weg zur eigenen Ordination versperrt.
So arbeitete sie nach ihrer Rückkehr nach Österreich zunächst
wieder in der Praxis ihres Vaters mit. Eine Patientin vermittelte
ihr schließlich die karriererettende Audienz beim Kaiser, der ihr
1890 gnadenhalber gestattete, eine zahnärztliche Ordination zu
betreiben. „Mein Jugendtraum hat sich erfüllt“, jubilierte Emilie,
die 1892 als Frischvermählte Salcher-Hruschka ihre eigene Ordi-
nation in Bregenz eröffnete. Die zahntechnischen Arbeiten führte
ihr Mann Alois aus. Doch mit Alois’ Tod im Jahr 1928 waren die
erfolgreichen Jahre der Ordination jäh vorüber – vor allem weil
Emilie nun keine Zahntechnik mehr anbieten konnte. 1939 saßen
nurmehr einigewenige „arme Bauern, die nicht krankenversichert
waren“, im Wartezimmer. Mit Kriegsbeginn übernahm Emilie die
Patient:innen ihrer männlichen Kollegen, die an der Front waren,
und konnte damit die Ordinationwirtschaftlichwieder einigerma-
ßen sanieren. Die erste Zahnärztin Österreichs starb am 20. April
1953 im Alter von 83 Jahren.
Die spät berufene Hirschfeld-Tiburtius
Anlässlich ihres 25-jährigenOrdinationsjubiläums besuchteHenri-
etteHirschfeld-Tiburtius 1893 Emilie in Bregenz. „Sie verdient eine
besondere Verehrung, da sie als Vorreiterin ihren Schwestern den
Weg zeigte“, so Emilie. Doch Henriettes Weg war steinig. Anders
als Emilie, die sich bei der Berufswahl der vollen Unterstützung
der Familie sicher sein konnte, kämpfte Henriette in Deutschland
gegen die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen. „Mädchen
brauchen kein Latein, ihr Lebensberuf ist zu heiraten“, befand ihr
Vater und verheiratete sie mit 19 Jahren mit dem alkoholabhän-
gigen und arbeitsscheuen Landwirt Christian Hirschfeld.
Wie Emilie in ihrer Ehe, die aufgrund der Untreue ihres Mannes
unglücklich war, litt auch Henriette – sie unter der Alkoholsucht
und denMisshandlungen ihres Mannes. Anders als Emilie trennte
sich Henriette von ihremMann. Sie suchte und fand ihrenTraum-
beruf – nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen schlechten Zähne – in
der Zahnmedizin. Dafür zog es sie mit 33 Jahren zu Studienzwe-
cken nach Philadelphia ans College of Dental Surgery. Als einzige
Frau imHörsaal hatte sie allerdings auch inAmerika gegen die Vor-
urteile und mit demMobbing ihrer männlichen Kommilitonen zu
kämpfen. Nach zwei Jahren schloss sie dennoch ihr Studium 1869
erfolgreich ab. In Deutschland konnte sie sich dank der Gewerbe-
ordnung von 1869 mit ihrem eigenen Zahnatelier für Frauen und
Kinder als Zahnärztin in Berlin niederlassen. In den kommenden
Jahren engagierte sich Henriette nicht nur in diversen Frauen-
vereinen, sondern auch in der Versorgung von „armen kranken
Frauen“ und setzte sich mit ganzer Kraft für das Frauenstudium
ein. Deutschlands erste Zahnärztin starb am 25. August 1911 im
Alter von 77 Jahren.